Filmkritik: "The Boss" - Gags ohne Zündschnur

Das unerwünschte Kind

Die lustigste Szene dieser ansonsten erstaunlich unlustigen Komödie findet sich gleich am Anfang. Da fährt ein Auto vor ein Gebäude, vor dem eine Ordensschwester steht. Ein etwa fünfjähriges Mädchen steigt mit trauriger Miene aus dem Wagen. ‘Sie können sie nicht einfach zurückgeben’, schreit die Nonne dem bereits davon sausenden Fahrer hinterher, um das Kind sogleich zu trösten. 'Wir werden für dich schon die richtige Familie finden’, sagt die gütige Frau. Schnitt.

Fünf Jahre später das gleiche Szenario. Das Kind wird wieder vor dem Waisenhaus abgeladen, doch der Zuspruch der Schwester klingt schon weniger überzeugend. 'Was stimmt denn nicht mit mir?’, fragt das geknickte Mädchen. Schnitt. Wieder fünf Jahre später: Aus dem Auto steigt ein Teenager, der weniger enttäuscht, dafür umso entschlossener der Schwester entgegenschleudert: 'Ich brauche keine Familie, ich werde es ganz alleine schaffen. Und zwar ganz nach oben.’

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Steiler Aufstieg, tiefer Fall

Was die kleine Michelle verbrochen hat, warum sie bei ihren Pflegeeltern einen so schweren Stand hat, wird weder gezeigt, noch kommt es in der eindimensionalen Story je zur Sprache. Die permanente Abweisung jedenfalls hat den Charakter Michelles nicht nur geformt, sondern auch eine extreme Abneigung gegenüber Familie oder sonstige soziale Bindungen zur Folge. Wenn sie es als Unternehmern bald tatsächlich ganz nach oben schafft, dann geht es einzig auf ihr Verdienst zurück. Ebenso wie der tiefe Fall.

Auf dem Höhepunkt des Erfolgs wird Michelle nämlich des Insiderhandels überführt - dank der Intrige ihres ehemaligen Geschäftspartners und Liebhabers Renault (Peter Dinklage). Sechs Monate muss sie dafür in den Knast. Als sie wieder freikommt, hat sie alles verloren: ihren Ruf, das Geschäft, ihr Vermögen. Einzig ihre ehemalige Sekretärin Claire (Kristen Bell) bleibt ihr noch, bei ihr findet sie vorübergehend Unterschlupf.

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Es dauert nicht lange, bis Michelle eine Idee hat, wie sie es wieder an die Spitze schaffen kann. Tatsächlich beginnt das Geschäft mit den selbst gebackenen Brownies Claires vielversprechend. Doch es gibt zwei Probleme. Zum einen intrigiert Renault wieder gegen seine ewige Konkurrentin, der er das aufstrebende Unternehmen abspenstig machen will. Zum anderen wachsen Michelle, Claire und deren Tochter Rachel (Ella Anderson) immer mehr zu einer Familie zusammen. Bis die soziophobe Karrierefrau die Flucht ergreift.

Rohrkrepierer am laufenden Band

“The Boss” ist der zweite Film, den Melissa McCarthy mit ihrem Ehemann Ben Falcone gedreht hat. Nachdem schon “Tammy - Voll abgefahren” vor zwei Jahren kaum Begeisterungsstürme auslöste, ist ihre neue Komödie nun vollends zu einem künstlerischen Fiasko geraten. Mag man über die platte Story und die Pappmaché-Figuren noch hinwegsehen, schließlich haben pointierte Gags, talentierte Darsteller und temporeiche Dialoge schon so manch farblose Komödie gerettet. Dass McCarthy zu den besten ihren Fachs gehört, darüber besteht nach Kinohits wie “Brautalarm” und “Taffe Mädels” und der wunderbaren Sitcom “Mike & Molly” kein Zweifel. In “The Boss” aber will ihr und Falcone, die gemeinsam auch das Drehbuch verfasst haben, einfach kein Gag gelingen.

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Was umso erstaunlicher ist, als Michelle Darnell zu den Lieblingscharakteren McCarthys gehört, die ihn einst in der Improvisations-Theatergruppe 'The Groundlings’ mitentwickelt hat. Mag sein, dass die Figur in einem kleineren Format wie einem Sketch besser aufgehoben ist. Das Problem von “The Boss” ist jedoch nicht substanzieller, sondern individueller Natur. McCarthy und Falcone fehlten schlicht die Ideen, um aus einer interessanten Vorlage einen runden und vor allem: witzigen Film zu machen. Und die wenigen Einfälle die sie hatten, die sind schon echte Rohrkrepierer.

Kinostart: 21. April 2016

(Bilder: Universal Pictures International)