Filmkritik: "The Forest" - Gruseln im Selbstmordwald

Der Wald ruft! Die junge Amerikanerin Sara (Natalie Dormer) ereilt die Nachricht, dass ihre in Tokio lebende Schwester Jess (ebenfalls von Dormer gespielt) verschwunden ist. Ihre Spuren würden sich im Wald Aokigahara verlieren, heißt es. Hierher zieht es Jahr für Jahr etliche Menschen, die ihrem Leben ein Ende bereiten möchten. Ist vielleicht auch ihre Schwester aus diesem Grund in den unheimlichen Wald gegangen? Das jedenfalls glauben Jess’ Freunde und Kollegen. Sara aber schenkt den Gerüchten kein Gehör. Als ihre Zwillingsschwester hätte sie doch gefühlt, wenn ihr etwas zugestoßen wäre.

image

Fakten und Mythen
Es ist der Titel gebende Aokigahara-Wald, um den die erste Hälfte von Jason Zadas Spielfilm-Debüt kreist. Geschickt bewegt sich der US-Regisseur dabei auf dem Spannungsfeld zwischen Dichtung und Wahrheit über das Naturdenkmal Japans. Am Fuße des Fuji-Berges in der Präfektur Yamanashi gelegen, umfasst der Aokigahara eine Fläche von etwa 35 km². Da er auf Lava erblühte, zeichnet er sich durch eine so dichte Vegetation aus, dass man schnell die Orientierung verlieren kann. Entsprechend unberührt ist ein Großteil seiner Fläche bis heute geblieben.

Zur Legendenbildung rund um das ‘Meer aus Bäumen’ hat auch der Umstand beigetragen, dass hier ein mysteriöses Magnetfeld bestehen soll, in dem jegliche Elektronik versage. Wissenschaftlich nachgewiesen ist dies allerdings nicht. Den Ruf eines Selbstmordwaldes genießt der Aokigahara erst, nachdem der japanische Schriftsteller Seicho Matsumoto ihn in seinem 1960 erschienenen Roman “Nami no to” zur Endpunkt im Leben der Protagonistin machte, die sich hier aus Liebeskummer das Leben nimmt. Seit dem und verstärkt noch durch den Einfluss des Internet ist der Wald das Ziel etlicher Lebensmüder.

image

Neue Dämonen, neues Problem
All das, die Fakten und die Sagen um den Aokigahara, spielt in “The Forest” eine Rolle. Nach der etwas holprigen Exposition, befindet sich Sara bald am Ort der vielen makabren Geschehnisse. Nach und nach zeigt der Wald seine dunklen Seiten - und Zada sein Talent fürs Horrorfach. Mal versagt Saras Handy am Waldrand, mal wird sie von einer fremden Frau vor der Macht des Aokigahara gewarnt, oder der Regisseur rückt Einheimische in ein unheimliches Zwielicht. Sind sie böse, sind sie gut? Alles bleibt zunächst in der Schwebe.

Je weiter aber die Erzählung von “The Forest” voranschreitet, umso mehr verlieren Drehbuch und Regie das Interesse an ihrem unheimlichen Motiv. Plötzlich stehen andere Dämonen im Mittelpunkt. Sara lernt einen Mann (Taylor Kinney) kennen, der zu ihrem Begleiter auf der Suche nach ihrer Schwester wird und dem sie ihre Lebensgeschichte erzählt. Ein traumatisches Erlebnis aus ihrer Kindheit belastet offenbar die Leben von Sara und Jess. So sehr, dass die Frauen bald Wahn und Wirklichkeit nicht mehr unterscheiden können. Der Film aber wird durch diese Wendung nicht vielschichtiger, sondern verworrener. 'Wir hoffen, hat der Produzent David Goyer gesagt, dass “The Forest” für den Wald wird, was der “Weiße Hai” fürs Schwimmen im Meer war’. Nein, Waldspaziergänger wird sein Film beileibe nicht vergraulen.

Kinostart: 04. Februar 2016

Bilder: Splendid Entertainment