Je schlechter desto besser

Komödien jenseits des guten Geschmacks sind der absolute Kassenknüller. Einer, der die moderne Version dieses Subgenres in den letzten Jahren revolutioniert hat, ist Judd Apatow. Kaum eine Sex-Comedy, die nicht durch seine Hände gegangen ist, kaum ein Schauspieler, den er nicht zum perfekten Loser und Antihelden geformt hat

Bad Taste hat einen Namen, und der heißt Judd Apatow. Seit rund zehn Jahren revolutioniert der aus dem Bundesstaat New York stammende US-Amerikaner nun schon das Comedy-Genre. Die Erfolgsstory begann 2005 mit dem Sleeper-Hit “Jungfrau (40), männlich, sucht…".

Darin spielt Steven Carrell einen klassischen Loser namens Andy, der sich wie ein Schuljunge kleidet, mit dem Fahrrad in die Arbeit fährt und Actionfiguren sammelt. Als seine Kumpels (Paul Rudd und Seth Rogen) mitbekommen, dass Andy noch nie Sex hatte, lassen sie in der Folge nichts unversucht, diesem bei dessen Entjungferung unter die Arme zu greifen. Diese schlüpfrige Sex-Comedy, bei der Apatow nicht nur produzierte und Regie führte, sondern auch zusammen mit Hauptdarsteller Carrell das Drehbuch schrieb, weist bereits auf einige Vorlieben des Filmemachers hin. Er liebt kauzige Typen, die gerne bei heißen Frauen landen wollen, aber keine Chance haben. Er verpackt seine Außenseitergeschichten am liebsten in zotigen Fäkalhumor, unterfüttert sie mit unterleibsgesteuerten Gags und kredenzt sie als krude-derbe “Hangover”-Abenteuer mit obszönem Dialogdauerfeuer. Außerdem arbeitet Apatow bevorzugt nach dem Friends & Family-Prinzip, das heißt, er besetzt Menschen, die er kennt und denen er vertraut - wie zum Beispiel Paul Rudd und Seth Rogen, aber auch seine eigenen Töchter

und Ehefrau Leslie Mann, die in “Jungfrau (40), männlich, sucht…” für einen Höhepunkt des schlechten Geschmacks sorgt. Sie spielt eine stockbesoffene Nightclub-Lady, die eigentlich mit Andy schlafen soll, stattdessen aber nicht mehr an sich halten kann und peinlicherweise dessen Gesicht vollkotzt. In einer weiteren Szene muss Carrell eine äußerst schmerzhafte Enthaarung seines Brustpelzes über sich ergehen lassen, was ihn letztlich aber auch nicht unbedingt anziehender macht.

Ebenfalls alles andere als attraktiv ist auch der Antiheld in “Beim ersten Mal” (2007), bei dem Apatow erneut als Produzent, Regisseur und Autor fungiert. Seth Rogen ist Ben, ein ungepflegter, schmerbäuchiger, in einer Slacker-WG (zusammen mit Paul Rudd) hausende Nichtsnutz, der seine Kohle mit Softpornos im Internet verdienen will. Aus welchen Gründen auch immer landet Ben nach durchzechter Nacht mit Amy (Katherine Heigl), einer absoluten Traumfrau, im Bett und schwängert sie. Auch wenn die beiden absolut nichts miteinander gemeinsam haben, beschließen sie, eine Beziehung zu beginnen und das Baby gemeinsam groß zu ziehen. Bei dieser schrägen Beziehungskomödie wird eine weitere Spezialität Apatows deutlich. Zwar lässt er keinen noch so schlechten Kalauer aus, solange er nur möglichst weit unter der Gürtellinie sein Ziel findet, doch diesem sexistischen, analfixierten und deshalb auch zuweilen nicht ganz jugendfreien Humor setzt er immer wieder tief emotionale, mitreißende und in ihrer Menschlichkeit auch nachvollziehbare und glaubwürdige Momente entgegen.

Das macht seine Protagonisten sympathisch, liebenswert und in gewisser Weise auch zu Identifikationsfiguren - was auch für “Superbad” gilt, eine Highschool-Komödie, die Apatow “nur” produzierte und die auf den Erinnerungen seines Kumpels Seth Rogen basiert. Auch hier geht es immer nur um das eine: Zwei bis drei absolute Verlierer wollen nach dem Schulabschluss endlich Sex haben, und dafür ist ihnen kein Preis zu hoch und kein Schwachsinn zu schade. Nun könnte man meinen, dass Apatow vielleicht selbst eine ähnliche Kindheit und Jugend verbracht hat - wie soll man denn sonst auf solch verrückte Ideen kommen? Doch der Sohn einer Schauspielerin und eines Immobilienmaklers verlebte eher unspektakuläre Teenagerjahre, musste mit zwölf lediglich die Scheidung seiner Eltern verkraften. Mit 17 versuchte er sich dann als Stand-up-Comedian, merkte aber schnell, dass er zwar gut schreiben, aber weniger gut performen kann. Dann ging Apatow nach Los Angeles, wo ihn die Begegnungen mit drei Superstars der Komiker-Szene prägten: mit Adam Sandler wohnte er eine Zeit lang zusammen, für Ben Stiller schrieb er TV-Shows und

für Jim Carrey verfasste er das Drehbuch zu “Cable Guy” (bei der Produktion lernte er übrigens auch Leslie Mann kennen). In diesen Anfangsjahren entstand die High-School-Serie “Freaks and Geeks” mit James Franco und - wem sonst? - Seth Rogen, die damals zwar noch nicht zündete, aber heute Kultstatus besitzt. Auch wenn der Erfolg dann noch etwas auf sich warten ließ - seit einem Jahrzehnt gilt Judd Apatow als Erneuerer des Sex-Comedy-Subgenres und als Blockbuster-Garant - mit Filmen, die bei uns eigentümlicher Weise völlig floppten: die beiden 70er-Jahre-Komödien “Anchorman - Die Legende von Ron Burgundy” und “Die Legende kehrt zurück” sowie der

NASCAR-Nonsens “Ricky Bobby - König der Rennfahrer”, jeweils mit Will Ferrell in der Hauptrolle. Hierzulande brachte er sich vor allem mit Titeln wie “Nie wieder Sex mit der Ex”, “Männertrip” oder

“Immer Ärger mit 40” (wieder mit Paul Rudd und Leslie Mann!) ins Gespräch. Zuletzt machte er seinem selbstgesteckten Ziel, “Filme über Penisse, aber mit Herz” zu realisieren, alle Ehre. In “Dating Queen” hüpft Comedy-Star Amy Shumer als bindungsunfähige, aber ungemein triebgesteuerte Redakteurin eines Männermagazin von Bett zu Bett und lässt mit ihrer frechen Schnauze kein erotisches Erlebnis unkommentiert. Außerdem produziert Judd Apatow die TV-Serie “Girls”, in der es um das Liebesleben von vier jungen New Yorkerinnen geht. Auch sehr witzig und schräg – aber doch ein wenig züchtiger als in seinen “Kino-Schweinereien"…

Bilder: ddpImages

Autor: Thomas Lassonczyk