Nach #OscarsSoWhite: Wie sieht es in Deutschland aus?

Bereits zum zweiten Mal wurden bei der diesjährigen Oscar-Verleihung ausschließlich weiße Schauspieler für die begehrte Trophäe nominiert. Über Twitter regte sich der Protest #OscarsSoWhite. Die Moderation war hingegen umso schwärzer. Aber mal ehrlich: Funktioniert die Filmindustrie in Deutschland nicht ähnlich diskriminierend?

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Unter #OscarsSoWhite entfachte sich im Vorfeld eine hitzige Diskussion über Diskriminierung. Höflich bedankte sich Regisseur Spike Lee im November für die Auszeichnung mit dem Ehren-Oscar für sein Lebenswerk und kündigte an, nicht an der Preisverleihung teilzunehmen.

Auf der Berlinale-Pressekonferenz zu Spike Lees fast ausschließlich mit afroamerikanischen Schauspielern besetzten Streifen „Chi-Raq“ empörte sich Schauspieler Nick Cannon über den fehlenden Dialog bei den Nominierungen: „Was geschieht da? Was geschieht bei der Oscar-Academy? Warum sind da keine Leute, die aufstehen und sagen, sie stehen und sie brennen für etwas?“ Übrigens ist die Academy-Präsidentin Cheryl Boone Isaacs selbst Afroamerikanerin. Die Nominierungen blieben dennoch weiß.

Aber wie sieht es in Deutschland aus? Wie ergeht es eigentlich Schauspielern mit ausländischen Wurzeln im deutschen Film-Business?

Farblich geben sich Lola, die Trophäe des Deutschen Filmpreises, und Oscar die Hand. Der Oscar ist golden, die Lola auch. Keine schlechte Farbe für einen Filmpreis, denn sie ist neutral.

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Neutral war Chris Rock, der Moderator der diesjährigen Oscar-Verleihung zum Glück nicht. Im strahlend weißen Jackett riss der Comedian die schwärzesten Witze über die rein weißen Nominierungen. Er schlug die Einführung neuer Kategorien vor: „Zum Beispiel den Academy Award für den besten schwarzen Freund.“ Und erklärte bissig: „Im Nachruf der Academy-Mitglieder kommen nur schwarze Menschen vor, die von Polizisten auf dem Weg ins Kino erschossen wurden.“ Solch eine politische Haudrauf-Moderation wird unsere Lola dieses Jahr wohl schmerzlich vermissen. Doch: So einen wie Chris Rock gab es auch in Deutschland schon.

Rede gegen den rein weißen Farbfilm!

2006 hielt nämlich der schwarze Regisseur und Schauspieler Pierre Sanoussi-Bliss auf dem Berliner Integrationsgipfel im Kanzleramt eine Rede, die es in sich hatte: „Ist es politisch korrekt, dass die meisten Filme im deutschsprachigen Raum wie mit Persil gewaschen wirken? Reinweiß?“ beschwerte er sich. „Dabei heißt es Farbfilm!“

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Auch Liz Baffoe ist sauer auf die deutsche Fernsehlandschaft. Sie fühlt sich diskriminiert. Im Interview mit der „Bild“ erzählte die Schauspielerin kürzlich, dass ihr selten anspruchsvolle Rollen angeboten werden. „Weil ich schwarz bin, soll ich fast immer die Asylantin, Flüchtlingsfrau oder Prostituierte spielen.“

Deutsch-türkische Erfolgsmodelle

Natürlich gibt es Gegenbeispiele wie Elyas M`Barek. Der Vater des 33-Jährigen ist Tunesier, seine Mutter Österreicherin. Spätestens seit „Fuck ju Göthe“ ist er aus Deutschlands Liste der Traummänner im Film nicht wegzudenken. Regie führte der deutsch-türkische Regisseur Bora Dağtekin. Übrigens hielt Dağtekin auch bei dem Serienhit „Türkisch für Anfänger“ das Zepter.

Sibel Kekilli, die als einzige Deutsche in der US-Fantasy-Serie „Game of Thrones“ mitspielt, verdankte ihren Durchbruch dem Hamburger Fatih Akin. Na, klingelt`s? Ja, es klüngelt. Leider. Zu konservativ sind viele Regisseure, um Rollen nicht nach ihren Klischees zu besetzen.

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Gegen die deutsche „Konsenswut“

Zum Glück sehen das nicht alle Regisseure so. Dominik Graf lehnt sich gegen die deutsche „Konsenswut“ auf. 1984 spielte der in der Türkei geborene Schauspieler Tayfun Bademsoy in seinem Jugenddrama „Treffer“ ein Mitglied einer Motorradgang. Eine dankbare Rolle für Bademsoy. Obwohl er akzentfrei deutsch spricht, wurden ihm oft nur Rollen als Gemüsehändler, Islamist oder Terrorist angeboten. Deshalb gründete er 1998 die Agentur „International Actors“ (einst „Foreign Faces“). Die Agentur vertritt ausschließlich ausländische Schauspieler. Und Dominik Graf? Der startet dieses Jahr mit seinem Dokumentarfilm „Was heißt hier Ende? Der Filmkritiker Michael Alten“ ins Lola-Rennen.

Lola wagt den Blick über den Tellerrand

Thematisch blickt der deutsche Film auch mal über den Tellerrand. In Visar Morinas „Babai“ versucht ein Junge im Kosovo, seinen Vater von der Flucht nach Deutschland abzuhalten, der Künstler AKIZ erschafft für sein Jugenddrama „Der Nachtmahr“ ein Wesen, das viele Interpretationsmöglichkeiten bietet und Florian Cossens „Coconut Hero“ erzählt auf tragikomische Weise von den Irren und Wirren der Pubertät.

Bekannte Regisseure und Regisseurinnen wie Tom Tykwer („Ein Hologramm für den König“), Doris Dörrie („Grüße aus Fukushima“) oder Christoph Hochhäusler („Die Lügen der Sieger“), David Wnendt („Er ist wieder da“), Hans Steinbichler („Das Tagebuch der Anne Frank“) oder Florian Gallenberger („Colonia Dignidad – Es gibt kein Zurück“) sind genauso vertreten wie Regie-Neulinge.

Laura Lackmann mit „Mängelexemplar“, Nicolas Steiner mit dem Dokumentarfilm „Above and Below“ über amerikanische Überlebenskünstler oder Ekrem Ergün mit seinem Langfilmdebüt „Hördur – Zwischen den Welten“. Ergün studierte erst Schauspiel und sattelte nach ein paar kleinen Engagements auf Regie um. Auch eine Lösung…

Die Verleihung des Deutschen Filmpreises findet am 27. Mai 2016 im Palais am Funkturm statt.

Autorin: Susanne Gietl

(Bilder: Getty Images, ddp images)

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