Ständig muss es Spaß sein

Wenn deutsche Filmemacher im Kino Erfolg haben wollen, dann sollten sie es unbedingt mit einer Komödie versuchen. Denn jedes andere Genre – ob Krimi oder Thriller, Action- oder Horrorfilm, wird vom Publikum rigoros ignoriert. Warum ist das eigentlich so?

Sonntagabend, 20 Uhr 15, nach der Tagesschau im Ersten. Millionen Deutsche versammeln sich zum Wochenendausklang in den heimischen Wohnzimmern vor dem Bildschirm und warten gebannt auf den “Tatort". Gemeinsam mit den Kommissaren aus Münster, Köln oder München wird dann 90 Minuten lang eifrig mitgefiebert, nach Verdächtigen gefahndet und der Mörder schließlich dingfest gemacht. Nun könnte man folgern, der Deutsche wäre ein großer Fan von einheimisch produzierten Krimis. Ist er ja auch. Aber nur, wenn dieses Format im Fernsehen gezeigt wird. Im Kino hat der Krimi made in Germany nicht die geringste Chance. Das war schon vor 20 Jahren so, als Dominik Graf, nun wirklich kein schlechter und vor allem vielfach preisgekrönter Regisseur, mit dem Actionthriller “Die Sieger" ordentlich baden ging, und das ist heute nicht anders.

Selbst Kassenmagnet Til Schweiger konnte nicht verhindern, dass sein auf Leinwandformat getrimmteTatort-Version “Tschiller: Off Duty” Anfang Februar eine kommerzielle Bauchlandung hinlegte. Nicht mal 300.000 Besucher wollten Kommissar Nick Tschiller, dessen Ermittlungen im Fernsehen normalerweise sieben Millionen Zuschauer folgen, im Kino sehen. Macht Schweiger allerdings auf Komödie, sind die Lichtspielhäuser brechend voll.

Ob “Keinohrhasen” oder “Kokowääh”, ob “Der bewegte Mann” oder zuletzt “Honig im Kopf”, jedes Mal rappelt es kräftig in der Kinokasse. Der letztgenannte, bittersüße Spaß um ein kleines Mädchen, das seinen an Alzheimer erkrankten Großvater nach Venedig entführt, ist übrigens mit 7,3 Millionen Zuschauern der sechsterfolgreichste deutsche Film aller Zeiten. Die fünf Plätze davor haben sich ebenfalls Komödien gesichert.

Ganz oben thront Top-Komiker Michael Bully Herbig mit seinen beiden Überfliegern “Der Schuh des Manitu” und “(T)Raumschiff Surprise – Periode 1”, gefolgt von Spaßvogel-Veteran Otto Waalkes und seinem “Otto – Der Film”. Die Top Fünf werden von “Fack Ju Göhte” und der noch erfolgreicheren Fortsetzung komplettiert.

Eklatante Genre-Armut in Deutschland

Nun ist grundsätzlich nichts dagegen einzuwenden, dass der Deutsche gerne im Kino lacht. Hier unterscheiden wir uns auch nicht von Italienern und Franzosen, Japanern und Amerikanern. Denn für die meisten bedeutet Kino Flucht vor dem grauen Alltag, eintöniger Arbeit oder Stress in der Familie. Und da will man sich vor der Leinwand in erster Linie bespaßen lassen und nicht mit “Problemfilmen” noch zusätzlich belastet werden. Dennoch fällt die Genre-Armut in Deutschland ganz besonders ins Auge. Über die Gründe kann man allerdings nur spekulieren. Zum einen liegt es sicherlich am mangelnden Budget, um hierzulande qualitativ hochwertige Actionfilme oder Thriller herstellen zu können, zum anderem fehlt uns Deutschen schlichtweg das Vertrauen in unsere Filmemacher. Wir glauben einfach nicht daran, dass einheimische Regisseure spannende und glaubwürdige, aufregende und authentische Geschichten erzählen können. Natürlich bestätigen auch hier Ausnahmen die Regel.

So tummeln sich in den All Time Top 50 Charts auch ein paar Literaturverfilmungen wie “Der Medicus”, “Die Blechtrommel”, “Das Geisterhaus” oder “Das Parfum”. Doch diese Werke wurden meist mit Geld aus dem Ausland finanziert und mit internationaler Besetzung realisiert, sind also genau genommen keine deutschen Produktionen.

Lachmuskel-Training mit Matthias Schweighöfer

Das einzig kommerziell erfolgreiche Genre, das bei uns neben der Komödie wirklich von Relevanz ist, ist der Kinderfilm. So schafften es im letzten Jahr immerhin vier Abenteuer für den Nachwuchs unter die ersten Zehn: “Ostwind 2”, “Heidi”, “Fünf Freunde 4” und “Rico, Oskar und das Herzgebreche”.

Die anderen sechs Titel: lauter Komödien, darunter der schon erwähnte “Fack Ju Göhte 2”, die Hitler-Parodie “Er ist wieder da” und “Der Nanny” von und mit Matthias Schweighöfer, neben Til Schweiger einer der größten Publikumslieblinge - sofern sie in lustigen Filmen mitwirken. Wer deutsche Werke der etwas anderen Art goutieren will, der kann sich an Sönke Wortmann halten. Der schaffte mit “Das Wunder von Bern” und “Deutschland. Ein Sommermärchen” zwei Hits, die sich um die schönste Nebensache der Welt, den Fußball, drehen. Und wer lieber auf Arthaus steht, der bekommt ebenfalls etwas geboten, zum Beispiel Sebastian Schippers sehr innovativer, in Realzeit gedrehter Thriller “Victoria”, der beim Deutschen Filmpreis 2015 der ganz große Abräumer war, oder das Drama “Der Staat gegen Fritz Bauer”, in dem es um die Aufklärung von Nazi-Verbrechen geht. 2016 geht es allerdings mit den deutschen Komödien munter weiter.

Neben zwei publikumsstarken Kinderfilmen “Bibi & Tina - Mädchen gegen Jungs” und “Die wilden Kerle: Die Legende lebt” schickt sich gerade “Der geilste Tag” an, die erfolgreichste nationale Produktion des Jahres zu werden, In den Hauptrollen: Florian David Fitz und – na klar – Matthias Schweighöfer!

Fotos: HerbX, Barefoot, Warner (2), Constantin, AP

Autor: Thomas Lassonczyk